Die Orgel im Westchor der Katharinenkirche zu Oppenheim
Die Oppenheimer Katharinenkirche, von außen betrachtet schon ein vielgestaltiges Bauwerk mit Ostchor, Querhaus, Langhaus und separatem Westchor, beherbergt zwei selbstständige und akustisch sehr verschiedene Räume.
Betritt man den hohen Westchor durch das Südportal, dann fällt der Blick neben den beeindruckend motivisch durchgestalteten Farbfenstern auf eine große Wandfläche, das im unteren Teil zugemauert erscheinende „Weinbergsfenster“. Die Wand, hinter der heute noch der Anbau mit der Balgkammer für die Orgel, darunter der „Raum der Stille“, existiert, zierte bis zur Zerstörung 1689 die Schwalbennestorgel von 1509, vielleicht in Form eines gotischen Schreins mit motivisch gestalteten Flügeltüren, wie es heute noch in Kiedrich (Rheingau) aus dieser Epoche zu finden ist. Diese letzte bauliche und liturgische Leerstelle aus dem Pfälzischen Erbfolgekrieg wartet noch darauf gefüllt zu werden, damit der großartige Raum seine volle sakrale Strahlkraft zurückerhält.
Der mit dem Darmstädter Ingenieurbüro Dr. Gellert erarbeitete Entwurf einer plastischen Orgelansicht orientiert sich formal an der Ebert-Orgel der Innsbrucker Hofkirche, eine der ganz wenigen größeren Orgeln des 16. Jahrhunderts. Das noch sehr abstrakte, vor allem farblich noch nicht gestaltete Erscheinungsbild dieses ersten Entwurfs vermittelt schon anschaulich die Gehäuse- und Pfeifendimensionen des künftigen Instrumentes. In der Endphase der individuellen ästhetischen Ausführung durch einen noch zu bestimmenden geeigneten Orgelbauer soll dann in Korrespondenz mit dem Kirchenraum und den farbigen Glasfenstern eine klingende Raumplastik entstehen. Sie wird als klingendes liturgisches Ausstattungsstück den Raum ganz entscheidend als spirituell bewegenden Sakralraum erfahrbar machen.
Schon heute beeindruckt der Raum mit seiner einzigartigen, in besonderer Weise erhebenden Akustik: Ein extrem üppiger Hall, der schon beim leisesten Klang und Geräusch anspricht. Dem entsprechend wird die künftige Schwalbennestorgel das ganze Klangspektrum des Raumes anregen und ausloten, dazu mit den räumlichen Klangebenen korrespondieren: Das Rückpositiv, im Rücken des Organisten, besonders klar, farbig und delikat direkt sprechend. Als großer verbindender Klang die Grundfarben aus dem großen Hauptgehäuse, das auch die fundamentalen Basstöne fasst. Von höherer Position im Hauptgehäuse lichte und näher am Gewölbe platzierte intensive Farben. Charakteristische Soloregister können direkt über dem Spielschrank erklingen, in unmittelbarer Nähe der kleinen Empore, die sich um Spielschrank und Rückpositiv erkennen lässt, und die 6 bis 8 weiteren Musizierenden Platzt bieten kann.
Stilistisch soll das Instrument in der Musik des 17. Jahrhunderts zuhause sein, die große oberrheinische Orgelbautradition aufgreifen, und damit der bedeutenden Musik dieser Epoche ein Klanggewand geben. Als ein in unserem großen Kulturraum bislang nicht anzutreffendes Instrument wird es die authentische Begegnung mit großer Choralmusik und den bedeutenden Kompositionen des Frühbarock ermöglichen, in dem zahlreiche unserer bis heute beliebten und gepflegten Lieder entstanden sind. Zugleich sollen Instrument und Kirchenraum zu gegenwärtiger Musik und Improvisation, zu Meditation und Erhebung über das Profane anregen.